Geschichte der Schlacht um Belgrad 1718









Samstag, 14. Februar 2009

Zur Geschichte der Donauflottille - Der Feldzug des Prinzen Eugens 1716 - 1718

Nach dem Frieden von Karlowitz war es die erste Sorge des Kaisers, die schwer heimgesuchten Länder durch die Reduzierung des Heeres zu entlasten. Der Präsident des Hofkriegsrates, Feldmarschall Graf Starhemberg, beantragte deshalb unter anderem am 3. März 1699 die Auflösung beider Schiffsarmaments (des Dillherrschen und des Alten) bis auf den im Frieden nötigen Stand. Im Jahre 1701 zählte die Wiener Flottille noch 6 neue Kriegsschiffe, 8 alte Kriegsschiffe, 2 unbrauchbare Fregatten, 9 abgenützte Flachschiffe (Platteisen), 2 Brägantinen, 4 Spanische Schiffe, 31 gemeine Chaluppen (Tschaiken). Die Schiffe traten in den nächsten 15 Jahren nicht in Aktion und verfielen zur Gänze.
Das Oberste Schiffsmeisteramt wurde natürlich auch von der allgemeinen Reduzierung betroffen. Es bestand zu Beginn des 18. Jh. blos aus zwei Offizieren, die die Aufsicht über die Schiffsverwahrung in Österreich (Hainburg, Albern, Fischamend) und in Ungarn (Raab, Preßburg, Komorn, Gran, Pest, Esseg, Peterwardein, Szegetin und Arad) auszuüben hatten.
Die Tätigkeit des Obersten Schiffsmeisteramtes von 1700 bis zum Beginn des neuen Türkenkrieges war ausschließlich auf die Beschaffung von Kriegsbrückenmaterial und den Bau von Schiffbrücken gerichtet. Die Nassadisten kamen nur zur Sicherung der bestehenden Schiffbrücken in Betracht. Im Verlauf der Operationen der Jahre 1704 bis 1711 wurde die Donau bei Preßburg, Pest, Gutta und Komorn mehrfach überbrückt und im Jahre 1704 bestand das verfügbare Material aus zwei Schiffbrücken zu je 100 Schiffen und zwei Laufbrücken auf Wagen (Brückentrain) zu je 50 Schiffen (Plätten). 1714 starb Oberst-Schiffsmeisteramtsleutnand Johann Ludwig Gössinger, der seine Stelle über 27 Jahre bekleidet hatte, im 83 Lebensjahr und 63 Dienstjahre. Sein Nachfolger war Johann Paul Hetzer, der schon im nächsten Jahr eine umfassende Tätigkeit entfalten konnte, als neuerdings ein Krieg mit den Türken drohte.
Österreich hatte sich im Frieden von Karlowitz mit Venedig zum heiligen Bund vereinigt, der den Status quo am Balkan und im Mittelmeer gegen Übergriffe der Türken sichern sollte. Die Zeit der aufgezwungenen Bescheidenheit und Zurückhaltung dauerte in Konstantinopel nicht lange. Ein starker Impuls von außen, das Erscheinen Karl XII. von Schweden genügte, um den Krieg mit Rußland zu provozieren. Durch ihre Erfolge ermutigt, suchten die Osmanen nach einem Ersatz für die zu Karlowitz abgetretenen Gebiete und wollten Morea im Pellepones der Republik Venedig abnehmen. Die Dogenstadt sah sich im Zeichen der drohenden Auseinandersetzung nach einem mächtigen Bundesgenossen um, um ihm die Hauptlast des Krieges aufzubürden. Am Weihnachstag 1714 erfolgte die Kriegserklärung der Pforte an Venedig und 14 Tage später drängte der venezianische Gesandte in Wien zu einem reaschen Abschluß eines Bündnisses. Prinz Eugen warnte vor Übereilung, beauftragte aber die schleunigste Vorbereitung aller für einen Türkenkrieg notwendigen Kriegsmittel.
Für die Operationen auf der Donau wünschte der Prinz genug Material, um drei Brücken über die Donau und eine über die Drau schlagen zu können, dazu noch eine Laufbrücke von 50 Schiffen.
Auch für die Errichtung einer Donauflotte stellte Prinz Eugen ganz bestimmte Forderungen. Er forderte große, starke Kriegsschiffe, um den zahlreichen leichten Schiffen der Türken überlegen zu sein. Ein Schiff sollte 30 - 40 Kanonen tragen und neben Proviant auch noch eine Anzahl Soldaten aufnehmen können. Dabei sollte aber die Beweglichkeit des Schiffes nicht leiden und der Tiefgang nicht zu groß sein, wenn man nicht ein Auffahren auf den Sandbänken der Donau riskieren wollte.
Die ersten Vorarbeiten für den Schiffbau begannen im Sommer 1715. Die Hofkammer erhilt den Auftrag, dem Oberst-Schiffamt 12.000 - 15.000.- Florin zur Beschaffung des notwendigen Holzes auszufolgen, die kaiserlichen Residenten in Hamburg und Amsterdam wurden angewiesen, sich nach Schiffbauern, Offizieren und Matrosen umzusehen und ihre Bedingungen mitzuteilen. In Wien traf der Obrist-Schiffsamts-Oberstlt. Johann Paul Hetzer alle Vorbereitungen, um beim Einlangen des Bauholzes im Arsenal sofort mit dem Bau beginnen zu können.
Die Anwerbung des fremden Personals zog sich aber bedenklich in die Länge. Im Amsterdam war wohl der schon vom letzten Türkenkrieg bekannte Kapitän Anderson gefunden worden, der sich auch bereit erklärte, neuerdings in kaiserliche Dienste zu treten. Aber der österreichische Resident Freiherr v. Heems hatte nur beschränkte Vollmacht und mußte wegen der sehr hohen Forderung Andersons mehrmals nach Wien berichten. Der endgültige Vertrag konnte erst Ende Februar, nach mehr als 5 Monate abgeschlossen werden. Anderson wurde zum Viceadmiral und Obrist zu Fuß mit dem Jahresgehalt von 5.000.- Florin, vom 24. Februar 1716 an gerechnet, ernannt. Mitte März reiste er nach Wien.
Baron Heems engagierte in Amsterdam auch den englischen Schiffbauer Thomas David aus Portmoth um jährlich 3.000.- Florin und einen Meisterknecht um 1.200.- Florin. David wollte aber vorerst noch auf 8 Tage nach England und ließ sich für die Reise 500.- Florin auszahlen. Hofkriegsrat und Hofkammer waren mit diesen Auslagen nicht einverstanden, aber die Weisung an Heems, den beiden teuren Schiffbauern abzusagen kam zu spät. Sie waren nach ihrer Rückkehr von England bereits nach Wien abgereist.
In Hamburg hatte der kaiserliche Resident von Kurzrok schon im Dezember mehrere Offiziere und Matrosen aufgenommen und mit ihren Lohn und Reisegebühr vereinbart, aber er erhilt kein Geld angewiesen und kein Order, die Leute abzuschicken. Einer der Offiziere war der dänische Kapitän Schwendermann, der Kurzrok zur Orientierung über das verschiedene Schiffspersonal und ihre Bezahlung das dänische Schiffsreglement sandte. Ein Schiffbaumeister Focke, der bereit war nach Österreich zu gehen, stellte die Bedingung, 12 Schiffszimmerleute mitnehmen zu dürfen. Anfang März setzte sich der erste Transport unter Kapitän Schwendermann nach Regensburg in Marsch. Der Stand derselben war : zwei Kapitäne, zwei Oberlt., drei Unterlt., drei Schiffer, vier Schiffszimmerleute, sechs Bootsleute, fünf Bootsmannsmaaten, zwölf Quartiermeister, fünf Konstabler, acht Konstablermaaten, vier Bouteillers, ein Barbier, vier Köche, ein Küfer, ein Segelmacher, 146 Matrosen, sechs Jungen, 18 Matrosen, ein Boutellier blieben zur Werbung zurück, einer war ertrunken, vier desertiert. Im Jahre 1716 betrug der Gesamtstand der Flotte etwa 500 Mann.
Jetzt erst wurde der kaiserliche Kriegskommissär Barreith zur Werbung nach Hamburg abgeschickt und das Hof-Bank-Gubernium angewiesen, den für die Jahresverpflegung erforderlichen Betrag von 91.842.- Florin wenigstens in vier Monatsraten sicherzustellen, da die Matrosen einen zweimonatigen Sold im vorhinein erhalten mußten und man auch für die weitere richtige Bezahlung in Hamburg Bürgschaft zu leisten hatte.
Der zweite Matrosentransport ging unter Kapitän Sidau im Mai, der dritte und vierte im Juli von Hamburg ab, den letzten im August führte Bareith selbst nach Wien, da Prinz Eugen wünschte, daß das Werbegeschäft mit Rücksicht auf den geänderten Operationsplan - Aufgabe der Belagerung von Belgrad - beendet werde.
In der Zwischenzeit hatte der Schiffbau im Arsenal nur langsame Fortschritte gemacht. Es wurde zwar den ganzen Winter über trotz großer Kälte gearbeitet, aber die Holztransporte (das Eichenholz wurde aus Niederösterreich bezogen. Ein Stamm kostete in Krems mit Zustreifgebühr 5 - 8 Florin) für die sieben Kriegsschiffe, die noch bis Sommer fertig werden sollten, dauerte bis zum Mai. Ihr Bau verzögerte sich durch alle möglichen technischen Schwierigkeiten, dann aber ebenso wie die Werbung durch das Ausbleiben der erforderlichen Geldmittel. Schuld daran mag wohl in erster Linie der allzu niedrige Voranschlag vom März 1715 gewesen sein, der fortwährend Nachtragsforderungen nötig machte. Man hatte gerechnet, mit 72.000.- Florin für 12 Schiffe auszukommen, und im April mußte man allein schon 21.072.- Florin für das Seilwerk der ersten 7 Schiffe auszahlen. Von Mitte Mai an wurde auch an Sonn- und Feiertage gearbeitet, aber es gelang trotzdem nicht, bis Ende Juni mehr als drei Schiffe vollkommen fertig zu stellen.
Am 15. Juli fand die Einweihung der sieben teilweise noch unvollendeten Schiffe durch den Bischof von Wien statt. Der Kaiser, der päpstliche Nuntius, viele Minister und Standespersonen wohnten einer Messe bei, die auf dem von Fokke Gersen gebauten Schiff "St. Leopoldus" gelesen wurde. Nach der Messe begann die Einweihung des von Davis gebauten Admiralschiffes "St. Maria" und der anderen sechs Schiffe "Leopoldus", "Josephus", "Carolus", "Elisabeth", "Stephanus" und "Franciscus".
"Sodann erteilte Ihro hochwürdigste Gnaden auf der oberen halben Decke des "Leopoldus" mit dem Inful auf dem Haupt und Bischofstab in der Hand, all Anwesenden den Segen, darauf das dritte Salve von der Stadt-Guarde und aus den Stücken wie auch aus das letzte Matrosengeschrei, mit Schwingung der Hüten, gehört worden".
"Es waren ziemlich große Maschinen von 33 Schuh Länge und 28 Schuh Breite" die bei den Probefahrten sehr gut entsprachen, denn sie waren "mit besonderer Behend- und Geschwindigkeit in die Donau geloffen, auch ungehindert des stark anwachsenden Wassers, mit absonderlichen Leichtigkeit gegen den Strom aufwärts geführt worden". "St. Leopoldus" und "St. Carolus" fuhren am 17., "St. Josephus" am 18. Juli von Wien ab.
Die Korrespondenz zwischen Prinz Eugen und dem Hofkriegsrat war in den Juli- und Augusttagen eine überaus rege und immer drängte der Prinz zum raschen Absenden der Schiffe. Er wollte nicht warten, bis alle 7 fertig waren, jedes einzelne sollte nach seiner Fertigstellung zur Armee abgesendet werden. Mitte Juli, als es den Anschein hatte, die Türken rüsten zur Offensive, schrieb er aus dem Feldlager : "Diesemnach ersehe ich gerne, daß endlich Kapitän Schwendermann mit drei der Solemniter getauften Schiffe den 16. Juli abgefahren und nach vermutlich bald eintreffenden Matrosen, der Viceadmiral mit zwei oder drei anderen folgen wird." Er gab dem Kommandanten in Peterwardein, Generalwachtmeister Freiherrn v. Beckers den Befehl, Tag und Nacht unausgesetzt an den Lafetten zu arbeiten, damit die aus Wien kommenden Schiffe sofort armiert werden konnten. Er brauchte sie dringend, nicht allein zur Bedeckung von Brücken, Schiffen und Magazinen, sondern sie waren ihm auch beim weiteren Marsch unentbehrlich, "zumal da die Nachrichten ergaben, daß demnächst eine feindliche Armee zu Belgrad eintreffen wird, dem man doch etwas entgegen setzen sollte". Sein Schreiben vom 28. Juli zeigte die Ungeduld, mit der er die Schiffe erwartete. Er beklagte sich, das sie so langsam die Donau herabkamen, bald hier, bald dort landeten, auf Sandbänken auffuhren und auf diese Weise erst Ende Sommer eintreffen würden, wo er sie doch schon jetzt so nötig hatte.
Der Hofkriegsrat konnte in dieser Situation wohl nichts anderes tun, als das Schiffsamt und Anderson unausgesetzt zu treiben und dem Prinzen gegenüber die langsame Fahrt der Schiffe zu motivieren. Man dürfe von den schweren Kriegsschiffen nicht die gleiche Geschwindigkeit erwarten wie sie die kleinen Schiffe hatten. Die Fregatten müßten bei stärkeren Wind vor Anker gehen, um nicht Schaden zu erleiden, und von den dreien sei bisher nur "St. Josephus" mit Kapitän Schwendermann aufgefahren (bei Petronell, wo es mehrere Tage liegen mußte, bis es gelang, dasselbe flott zu machen). Die Schiffahrtsverhältnisse auf der Donau seien eben infolge der ständig wechselnder Strömung sehr schwierig. Das vierte Schiff wäre am 4. August abgefahren, wenn nicht starke Regengüsse die Arbeit an drei Tagen unmöglich gemacht hätten und von den übrigen Schiffen konnte jede Woche eines ins Wasser geworfen werden.
Der langsame Baufortschritt hatte nach Ansicht des Hofkriegsrates folgende Ursachen gehabt : als der Bau am 5. Jänner begann, waren die Tage kurz, es fehlten anfangs noch die Schiffbauer und Zimmerleute und das Herbeischaffen von 3.000-4.000 Eichenstämmen aus weit entlegenen Wäldern nahm lange Zeit in Anspruch. In Ermangelung einer Sägemühle mußten alle Bretter von Hand geschnitten werden und die hiesigen Arbeiter zu allen Verrichtungen erst geschult werden, durch Schnee und Regen wurden die Bauarbeiten ebenso verzögert wie durch den Mangel an Geld. Große Schwierigkeiten bereitete auch die Beschaffung des Seilwerkes, denn zuerst fehlten die Mittel, um den Seilermeistern einen Vorschuß auszuzahlen und im August ging der Hanf aus, so daß Hetzer um die Erlaubnis bitten mußte, 1000 Zentner Hanf aus Bayern zollfrei einführen zu dürfen.
Die zwei zuerst vollendeten Schiffe, "St. Carolus" und "St. Franciscus" kamen Mitte August nach einmonatiger Fahrt nach Esseg und wurden hier armiert. Dann folgten "St. Josephus" und "St. Leopoldus". Für alle vier mußten Seile, Anker, Pulver und vieles andere von der Ausrüstung auf gewöhnlichen Donauschiffen von Wien, Esseg und Peterwardein (wo der Kommandant von Esseg meldete, daß er den "St. Josephus" am 24. September mit allen versehen werde) nachgeschickt werden, so daß sie erst mehrere Wochen nach ihren Eintreffen bei der Armee als vollständig ausgerüstet gelten konnten. Ihre Geschütze wurden den Festungen Raab, Neuhäusel, Komorn, Ofen, Peterwardein und Szegetin entnommen worden und da diese Bestände nicht ausreichten, wurden neue Stücke in Ofen und Peterwardein gegossen.
Neben der Flotte wurden auch die Tschaikisten wieder auf höheren Stand gebracht und neue Ruderschiffe ausgerüstet. Mit 31.000.- Gulden hoffte man für den Bau für 50 Tschaiken, deren jede eine Bemannung von 33 Mann (ein Kommandant, drei Korporale, 29 Gemeine) haben sollte, das Auslangen zu finden. Diese Boote wurden in Gmunden gebaut - als Halb- und Ganztschaiken - in Raab und Komorn bemannt und armiert und staffelweise nach Peterwardein abgeschickt. Aber auch hier klappte es nicht und bei Beginn des Feldzuges waren erst 31 neue Tschaiken fertig.
Diese große Verspätung im Bau der Kriegsschiffe machte sich gleich beim Beginn der Operationen unangenehm bemerkbar. Vor der Schlacht bei Peterwardein am 5. August 1716 sollte die gesammte Kavallerie und das Kops des FZM. Prinzen von Württemberg die Donau erst in der Nacht vor dem Angriff auf zwei Schiffsbrücken überschreiten, um den Angriffsplan des Prinzen solange wie möglich geheim zu halten. Der Flußübergang und der sich anschließende Aufmarsch des Heeres angesichts des Gegners war ein kühnes Unternehmen, dessen Gefahren dadurch erhöht wurden, daß keine Flotte vorhanden war, die die zwei Brücken gegen die feindlichen Schiffe schützten.
Tatsächlich ereignete sich auch ein Unglücksfall, der leicht böse Folgen hätte haben können. Einige oberhalb von Peterwardein befindliche Schiffsmühlen, die wegen des starken Windes noch nicht geborgen werden konnten, wurden von der Strömung, vielleicht auch von den Türken vom Ufer gelöst und fuhren mit voller Gewalt an die Brücken an, noch bevor es den wenigen kaiserlichen Tschaiken möglich war, sie abseits zu bringen und zu verankern. Von der ersten Brücke wurden 5 Schiffe, von der zweiten 18 los und stromabwärts mitgerissen. Der Übergang in der finsteren , stürmischen Nacht war damit unterbrochen und fast die ganze Kavallerie von der am linken Ufer stehenden Infanterie getrennt. Dabei wußte man, daß sich türkische Kriegsschiffe am Abend von Karlowitz her genähert hatten, offenbar in der Absicht, auch von dieser Seite her die Zerstörung der Brücken zu versuchen. Die Tschaiken hätten dies nicht verhindern können und die Fregatten waren noch weit von Peterwardein entfernt.
Glücklicherweise gelang es, die Brücke nach mehreren Stunden wieder herzustellen und der Übergang vollzog sich ohne weitere Störung. Die Türken wurden am Morgen durch die Eröffnung der Schlacht vollkommen überrascht und um 12 Uhr mittags waren 150.000 Türken in voller Flucht nach Belgrad.
Nach dem Sieg bei Peterwardein stand Prinz Eugen der Weg nach Belgrad offen, aber mehrere Gründe zwangen den Prinzen, dieses Unternehmen auf das kommende Jahr zu verschieben (Mitteilung Eugens an dem Marschall Villars vom 25. Sept. 1716 über seine Gründe). Die Jahreszeit war schon weit fortgeschritten und es war nicht unbedingt damit zu rechnen, in den drei noch verfügbaren Monaten alle Vorbereitungen zur Belagerung und diese selbst durchführen zu können. Dann aber fehlten vor allem die Fregatten der Donauflottille, die die Armee unterstützen, den Transport des Belagerungsmaterials und der Verpflegung sichern und die Donau und die Savebrücken hätten decken können.
Die ersten zwei Fregatten "St. Carolus" und "St. Franciscus" konnten erst am 17. August, "St. Josephus" noch später in Peterwardein eintreffen, und der Prinz wollte nicht wertvolle Wochen mit Warten verlieren. Er entschloß sich daher, in diesem Feldzug Temesvar zu nehmen, so das Banat zurückzugewinnen und sich auf diese Art für das nächste Jahr günstige Vorbedingungen für den Angriff auf Belgrad zu schaffen. Bei dieser Operation konnte er auch auf die Flotte verzichten, da die im August eingetroffenen Schiffe genügten, um die Theiß gegen die türkische Flotte abzusperren. Kapitän Storck erhilt daher Befehl, in Peterwardein die fehlende Infanteriebesatzung aufzunehmen und sich mit den ersten zwei Fregatten an der Theißmündung aufzustellen.
Hier deckten sich die von Wien und Ofen kommenden Artillerie- und Provianttransporte, die Theiß aufwärts im August und in der ersten Hälfte September nach Temesvar gezogen wurden.
Mitte September waren die Kriegsschiffe in folgender Weise verteilt : drei Schiffe lagen in der Theißmündung, wo auch "St. Leopoldus" am 22. eintraf. Das fünfte Schiff "St. Elisabeth" unter Kapitän Pöklmann befand sich auf der Fahrt von Wien nach Esseg und hatte am 13. Komorn passiert.
Die Donau-Flottille wurde auf die Zahl von 10 Kriegsschiffen gebracht und zum Teil neu ausgerüstet. Man erwartete von der Flotte eine besondere Wirksamkeit bei der Belagerung Belgrads. Wie im Vorjahr stand die Armada unter Befehl von Viceadmiral Peter von Anderson. Sie bestand nun aus den Schiffen -
- "St. Maria", 54 Geschützen, Admiralsschiff, 26 Geschütze an Bord, fehlen 28
- "St. Leopoldus", 54 Geschütze, Capt. Böckelmann, 42 Geschütze an Bord, fehlen 12
- "St. Elisabeth", 50 Geschütze, Capt. Tities, 32 Geschütze an Bord, fehlen 18
- "St. Joseph", 40 Geschütze, Capt. Schwendermann, 31 Geschütze an Bord, fehlen 9
- "St. Carolus Borromäus", 40 Geschütze, Capt. Siedo, 33 Geschütze an Bord, fehlen 7
- "St. Franciscus", 40 Geschütze, Capt. Storck, 25 Geschütze an Bord, fehlen 15
- "St. Stephanus", 30 Geschütze, Captlt. Pommers, 19 Geschütze an Bord, fehlen 11
Diese sieben Schiffe stammten aus dem Jahr 1716 und hatten sich gegenüber den türkischen Schiffen als zu schwerfällig erwiesen, daher wurden die letzten drei Fregatten leichter gebaut, und zwar nach Vorbild des Bornhomber Schiffes "Helper" oder "Hilperen" von O. Judecker. Es waren dies die Schiffe
- "St. Eugenius", 50 Geschütze, 29 an Bord, fehlen 21
- "St. Theresia", 50 Geschütze, 0 an Bord, fehlen 50
- "St. Johannes Capistranus", 50 Geschütze, 0 an Bord, fehlen 50
jedes der Schiffe war mit Begleitschaluppen und kleineren Booten versehen, welche im Bedarfsfall mit Ruderern bemannt, eine bedeutende Fahrgeschwindigkeit erzielen konnten.
Matrosen waren Ende 1917 nur 479 vorhanden, es wurden daher noch 2 Kapitäne, 2 Blockdreher, 2 Segelmacher und 300 Mann angeworben, wofür 54.262.- Florin erforderlich waren. Der Stand des Flotten-Personals bestand im Jahre 1717 aus fast 1000 Mann.
Zur Armierung wurden 200 eiserne Geschütze und zwar 100 12-Pfd. 50 8-Pfd. und 50 6-Pfd. bei John und Daniel Elbo et Charron in Amsterdam angekauft, von denen im August 1717 erst 123 eingetroffen waren.
Neben den 10 großen Kriegsschiffen wurden wieder eine ansehnliche Zahl von Tschaiken und eine Anzahl von kleineren Ruderschiffen, Oranitzen genannt, ausgerüstet und mit Nassadisten und ungarischer Grenz-Miliz bemannt.
Es war Prinz Eugens Absicht, die kaiserliche Armee unter dem Schutz der Donauflottille bei Pancsowa, anderthalb deutsche Meilen stromabwärts von Belgrad, über die Donau zu bringen, in der Plaine südlich der Stadt zu rücken und durch ein von der Donau zur Save rewichendes befestigtes Lager von ihrem Hinterlande abzuschneiden. Doch mußte die stromaufwärts liegende Flotte als auch die Brückenschiffe an Belgrad vorbeigebracht werden, und wenn man damit nicht zuerst am türkischen Kriegshafen zwischen den Donauinseln und dann gar auch noch unter den Kanonen der Festungvorüberwollte, so blieb nichts anderes übrig, als sowohl die Kriegsschiffe wie auch das ganze Material für die auf 5000 Fuß Länge berechnete Brücke durch den sogenannten Dunavac, einen Bifurkationsarm der Donau, der unterhalb von Titel von der Donau abzweigt und knapp oberhalb von Pancsova in den Temes mündet, schleppen und Belgrad damit zu umgehen. Da aber der Dunavac völlig verschlammt war, mußte er erst für die sieben Fuß tief tauchenden Fregatten schiffbar gemacht werden, und mit dieser Aufgabe betreute Eugen seinen Freund Graf Mercy, General der Kavallerie. Mercy führte diese gewaltige Aufgabe ohne alle Ingenieure und blos mit der Hilfe einiger tausend serbischen Siedlern und einer Anzahl Kommandierter von der Infanterie in siebenmonatiger anstrengenster Arbeit aus, und wirklich ward der Dunavac im folgenden Mai in einen schiffbaren Kanal von zwanzig Klafter Breite und einem Klafter Tiefe verwandelt.
Doch ehe er schiffbar gemacht worden war, geriet Mercy mit seinen Leuten in Verpflegungsschwierigkeiten und forderte Proviant aus Peterwardein an. Die Lebensmittelvorräte sollten auf der Donau nach Pancsova gebracht werden, und man nahm die Gelegenheit wahr, dortselbst auch noch ein Proviantmagazin für die ganze Armee anzulegen. Die Menge der Lebensmittel, die unter den Kanonen der Festung Belgrad vorbeigeschafft wurden war also sehr erheblich, und diesen wichtigen Transport zu kommandieren ward der Oberstleutnand der Schönbornkürassiere Ernst Freiherr v. Petrasch, einen vortrefflich beschriebenen Offizier, vorgesehen.
Petrasch hoffte unter dem der Nacht an Belgrad vorbeizukommen. Jedenfalls begab er sich am Morgen des 16. Aprils an Bord seines Transporters. Petrasch selbst hielt sein Unternehmen für ein äußerst gewagtes, ja verzweifeltes. Dennoch gelang es ihm, den Transport glücklich nach Pancsowa zu bringen. Auf dem Rückweg nützten dann, wie es in solchen Fällen zu gehen pflegte, weder die der Kirche gestifteten 200 Gulden noch der den Waffen und Schiffen gespendete Segen des Jesuitensuperiors de Venir nicht sonderlich viel. Denn Petrasch stieß auf überlegene türkische Kräfte, unter deren Beschuß das Pulver seiner Tschaike explodierte, auf der er sich befand. Die Mehrzahl seiner Leute ward getötet, und er selbst geriet verwundet in Gefangenschaft.
Die Türken schafften Petrasch nach Belgrad. Dort wurde er vom kommandierenden Pascha zwar noch gut behandelt, am dritten Tage aber schickte man ihm weiter nach Adrianopel, wo es ihm weit weniger gut ergehen sollte. "Da er in der Examination von dem Großvezier nicht nach der Türken Phantasie geredet" schrieb Freiherr v. Stein an Prinz Eugen, "und da er auch nicht unter dem Berczeny dienen wollte, welcher im Namen Rakoczys deutsche Regimenter von Deserteuren, Gefangenen und allerhand Gesindel aufrichtet, ist er in Eisen und Banden nebst einem Cuirassirer von des Prinzen Eugen Regiment in grausames Gefängnis geworfen worden, wo er sich annoch befindet".
Später schaffte man ihn nach Konstantinopel. In die sieben Türme geworfen, fristete er mit elenden Lebensmittel ein kümmerliches Dasein, und lange Zeit drang der Freiherr v. Stein vergeblich daran, ihn nicht krepieren zu lassen, sondern seine Auswechslung in die Wege zu leiten.
Eugen traf am 21. Mai im Lager von Futak ein, woselbst die Armee, in Stärke von etwa 80.000 Mann sich zu sammeln in Begriff war. Hienzu kamen allerdings auch Mercys Truppen, die im Banat standen, dann die in Siebenbürgen stehenden Streitkräfte von FML Graf Virmond und schließlich, in Kroatien, an die 25 - 28.000 Grenzer.
Für´s erste verfügte sich Eugen nun persönlich an den Dunavac, besichtigte dortselbst die von Mercy getroffenen Anstalten und hieß sie gut. Hierauf wurden die Truppen Mercys und Virmonds gegen Pancsowa befohlen. Dann fuhr die Kriegsflotte durch den Dunavac in die Temes, und schließlich folgte, über Titel, die Hauptarmee.
Am Abend des 14. Juni waren die Flotte und 200 Barken bei Pancsowa vereint. Am Morgen des 15. setzte sich die kaiserliche Flotte, geführt von drei Fregatten, in Bewegung und langte nach zwei Stunden an der Temesmündung an. Unter dem Feuer aller Geschütze, in Rauch und Flammen gehüllt, fuhren die Schiffe in die Donau ein. Zur Beobachtung der türkischen Flotte, welche stromauf vor Anker lag, ließ man eine der drei Fregatten an der Temesmündung zurück. Nach kurzen Feuergefecht mit Spahis wurde die Schiffsbrücke unbehindert geschlagen und nach drei Tagen ward die ganze Armee, 62 Bataillons und 201 Eskadronen stark, samt Troß und Belagerungsmaterial ans andere Ufer gesetzt. Unverzüglich ward nun die Landspitze, auf der Belgrad lag, abgeriegelt, und die Armee begann mit der Anlage der Belagerungslinie, sowie mit dem Bau einer Brücke über die Save. Auch ließ man zwei Fregatten, den "St. Franciscus" und den "St. Stephanuns", stromaufwärts und zwei weitere, den "St. Carolus Barromäus" und den "St. Leopoldus", stromabwärts von Belgrad als Wachschiffe ankern. Zwar griffen sechs türkische Galeeren, begleitet von mehr als 40 Tschaiken und andere Fahrzeuge, diese Fregatten am 8. Juli an, und das Gefecht dauerte über eine Stunde. Doch verloren die Türken über 200 Mann, und es ward eine Galeere versenkt. Zeitgenössische Flugblätter zeigen weiters eine Explosion einer tütkischen Galeere sowie brennende türkische Schiffe. Prinz Eugen zeigte sich von dem Erfolg sehr erfreut und sandte Lobesschreiben an die Kommandanten der Schiffe.
Der geringe Wiederstand, den die Türken der Durchführung der Cernierung entgegensetzten, beirrte den Prinzen nicht in der Beobachtung aller möglichen Vorsichtsmaßnahmen, die ihm einem so unberechenbaren Feind gegenüber geboten schienen.
Die Armee verbrachte die Nacht vom 19. zum 20. Jni in voller Gefechtsbereitschaft. Während am 20. die Türken ihre erfolglose Kanonade eröffneten, wurde die Brücke bei Pancsova abgebrochen, die Brückenglieder durch zwei an der Mündung des Temes liegenden Kriegsschiffen gedeckt, gegewärts gebracht und der Brückenschlag oberhalb Visnica, zwischen Ovcsa und Borcsa, an der Stelle, wo sich zur Zeit der späteren Militärgrenze der Grenzposten Starcsovaer Mühle, bei der heutigen Ortschaft Marienfeld, befand, begonnen. Die Türken ließen drei mit Steinen beladene Schiffsmühlen gegen den Brückenschlag anrennen, welche jedoch von den kaiserlichen Tschaiken aufgefangen und an das linke Ufer gebracht wurden.
Hierauf versuchten die Belagerten durch einige ihrer Schiffe sowie durch heftiges Geschützfeuer aus Stadt und Schloß den Brückenschlag zu verhindern, ohne jedoch etwas damit etwas auszurichten, eine türkische Fregatte wurde in den Grund geschossen, wobei sich die kaiserliche Fregatte "St. Leopoldus" hervortat.
Am 25. Juni war die auf 127 schwimmenden Unterlagen ruhende Brücke vollendet und es wurde mit Faschinen eine Communication durch das morastige Terrain einerseits nach Pancsova, anderseits zum Lager hergestellt.
Die Leitung dieser Arbeiten hatte der Prinz in die bewährten Hände des Generals der Kavallerie Graf Mercy gelegt, der sich deshalb mit vier Grenadier-Kompagnien aus dem Lager auf das linke Donauufer zurück begab. Es wurden ihm Kriegsschiffe an der Dunavica sowie das indessen bei Pancsova angelangte Regiment Ottokar Starhemberg zugewiesen und GFWM Diesbach, der von der Dunavica nach Pancsova rückte, beordert, sich mit seinen drei Bataillonen und 200 Pferden unter das Kommando des Grafen Mercy zu stellen.
Dagegen waren GdC Graf Nádasdy und GFWM Graf O´Dwyer noch am 20. abends mit den zum Schutz der großen Bagage an der Donau zurückgebliebenen 10 Bataillonen und sechs Reiter-Regimenter in das Lager eingerückt.
Von den großen Kriegsschiffen waren drei, "St. Carolus", "St. Leopoldus" und "St. Josephus" mit dem Commodore Schwendermann noch an der Donaubrücke bei Pancsova, während zwei, "St. Elisabeth" und "St. Franciscus" beim Einfluß der Dunavica in die Donau Wache hielten. Das Admiralsschiff "St. Maria" war, um seine Ausrüstung zu vollenden, noch in Peterwardein und eben dahin kamen die 1917 zuletzt gebauten Schiffe "St. Stephanus" und "St. Eugenius".
Der Prinz suchte die Ausrüstung und Armierung dieser Schiffe zu beschleunigen, um möglichst bald die ganze Flotte bei Belgrad zu Verfügung zu haben, wo ihre Anwesenheit zum Schutze der Brücken und zur Abwehr des zahlreichen türkischen Donaugeschwaders dringend nötig erschien.
Nach dem Abbrechen der Brücke bei Pancsova folgten die beiden Fregatten "St. Leopoldus" und "St. Carolus" aufwärts und postierten sich zum Schutze des Brückenschlages zwischen Belgrad und der Brückenschlagstelle.
Anderseits mußte die Mündung des Temes, durch welche sich alle Proviant-Transporte bewegten, gedeckt werden und der Prinz erteilte daher den Auftrag, daß zu dem dort zurückgebliebenen Schiff "St. Joseph" noch ein zweites durch den Temes folgen sollte, was die Fregatte "St. Elisabeth", von der Dunavica kommend, vollführte, um ihrerseits an der Mündung der Dunavica durch die Fregatte "St. Stephanus" ersetzt zu werden. Die fünf Kriegsschiffe, welche während der Campagne des Jahres 1716 anwesend gewesen waren, langten wohl im Mai in Peterwardein an, dafür ging es sehr langsam mit den noch erwarteten fünf anderen Kriegsschiffen. Man wußte oft gar nicht, wo sie sich eigentlich befanden. "St. Stephanus" fuhr am 5. Juni von Ofen ab, "St. Maria" und "St. Eugenius" trafen an diesem Tage dort ein, um Stücke an Bord zu nehmen. Der Prinz äußerte sein Befremden über ihr langes Ausbleiben. Er schickte Befehle an die Kommandanten von Ofen und Essegg und zeigte sich auch unzufrieden, daß der Viceadmiral Anderson sich so lange in Wien aufhalte und die Zeit der Operationen versitze. Anderson fuhr daraufhin am 15. Jni auf einem Paketboot mit 6 Geschütze von Wien ab und war am 22. bis 24. Juni in Szlankamen.
Die letzten beiden Kriegsschiffe "St. Teresia" und "St. Johannes Capistranus", denen die Armierung gänzlich fehlte, waren am 14. Juni von Wien abgegangen. Das erstere fuhr jedoch schon bei Kaiser-Ebersdorf auf eine Sandbank und mußte solange warten, bis höheres Wasser eintrat. Beide Schiffe gelangten erst am 25. Juli nach Komorn, am 4. August nach Vörös-Márton, am 7. August, mit nur 25 Geschütze nach Peterwardein. Sie traten nicht mehr in Aktion, konnten auch in der Folge des niederen Wasserstandes nicht, wie beabsichtigt, zur Temes-Mündung gelangen, denn das Schiff "St. Theresia" blieb gerade am Tage vor der Schlacht von Belgrad in der Temes stecken und der "St. Johannes Capistranus" folgte ihr nicht mehr, sondern nahm am Tage nach der Schlacht Aufstellung bei Semlin.
Der Viceadmiral Anderson hielt sich zu dieser Zeit noch in Peterwardein auf, dagegen hatte der Commodore Schwedermann, dem der Prinz den Aufenthalt an der Temes- oder an der Dunavica-Mündung freistellte, bei letzterem Punkt das Kommando übernommen.
Um jedoch das ganze Schiffswesen unter einer Leitung und für den Fall eines Angriffes aus der Festung auch unter einheitlicher Führung zu bringen, stellte der Prinz am 24. Juni auch die auf der Donau befindlichen Tschaiken, Oranitzen, Handels- und Marketenderschiffe unter Schwendermanns Kommando, der sich auf der Fregatte "St. Leopoldus" befand und dieses Schiff wurde angewiesen, sich so aufzustellen, daß es sowohl die Brücke als auch unbewaffnete Fahrzeuge zu decken vermochte.
Besonders die in der Temes liegenden Schiffe "St. Josephus" und "St. Elisabeth" bedurften auf die Nachricht hin, daß bei Semendria 13 türkische Schiffe angelangt seien, vermehrte Obhut und es wurden ihnen einige Tschaiken und Oranitzen zur besseren Bewachung der Donau zugewiesen.
Ende Juni kam das Admiralsschiff "St. Maria" hinzu und nun übernahm Viceadmiral Anderson das Kommando.
Im Lager vor Belgrad hatte sich indessen eine eifrige Tätigkeit entwickelt. Die Truppen arbeiten an der Circum- und Contravallations-Linien. Jedes Regiment mußte jenen Teil der Erdarbeiten durchführen, den es im Notfall auch zu verteidigen hatte.
Entsprechend der Angriffsrichtung eines zu erwartenden türkischen Ersatzheeres, von Süden nach Westen, bildete die Linie der Circumvallation zwei Fronten, welche sich der Terrainformation anglichen, so daß sich nach allen Seiten ein günstiges Schußfeld ergab. Beide Fronten, die eine nach Süden, die andere nach Norden gerichtet, stießen im spitzen Winkel zusammen und bildeten im Zusammenhang mit der gegen die Festung aufzuführenden Contravallations-Linie ein Dreieck, das den Lageraum der Armee vollständig einschloß. An den Brücken wurde besondere, brückenkopfartige Bauten aufgeführt und mit den Erdschanzen in unmittelbare Verbindung gebracht.
Der empfindliche und gefährdeste Teil der ganzen verschanzten Linie war naturgemäß jener vorspringende Winkel, in dem die beiden Fronten der Circumvallation zusammentrafen. Die Trace war an dieser Stelle mit Scharfblick und richtiger Beurteilung des Terrains über eine Höhenstufe geführt, die das zunächst liegende Vorfeld beträchtlich domonierte. Der redanartige Vorsprung gewann dadurch wesentlich an Stärke und devensiver Kraft, während anderseits seine beherrschende Lage ihn auch zum Stützpunkt einer Offensive nicht ungeeignet erscheinen ließ. Hier erhilt das Regiment Regal mit 2 Bataillonen seine Aufstellung.
Von Regal-Infanterie nach rechts standen : Ahumada 1, Browne, Bonneval, Sickingen 1, Wenzel 1, Max Starhemberg 3, Bagni 2 und Baden-Durlach 2 Bataillone, sodann die Cürassier-Regimenter Pálffy, Gronsfeld, St. Croix und Falkenstein, ferner die Dragoner-Regimenter Jörger, Vehlen und Eugen Savoyen.
Am äussersten rechten Flügel die Infanterie-Regimenter Herbenstein mit 3, Niclas Pálffy mit mit 1, Heister mit 2 und Harrach mit 3 Bataillonen. Von dem ausspringenden Winkel, wo das Regiment Regal stand, folgte nach links, Front gegen Ost : Virmond-Infanterie mit 3, Alexander Württemberg-Infanterie mit 2, und Alt-Württemberg-Infanterie mit 2 Bataillonen, hierauf kam wieder eine Kavallerie-Linie mit Lobkowitz, Martigny, Darmstdt- und Hannover-Kürassieren, Rabutin-, Althann- und Württemberg-Dragoner, endlich am linken Flügel Gschwind-Infanterie mit 2, Guido Starhemberg-Infanterie mit 2 Bataillonen.
An der Südfront der Linie standen sonach 27 Bataillone Infanterie und 7 Kavallerie-Regimenter, an der Ostfront 11 Batallone und ebenfalls 7 Regimenter Kavallerie.
Die Linie führte in ziemlich gerader Richtung von der Save zur Donaubrücke in einer Entfernung von etwa 1500 bis 2000 Schritte von der oberen Festung, wenige hundert Schritte von der Lisiére der Vorstädte entfernt und schloß den Lagerraum der Armee gegen Belgrad hin ab.
Der Prinz hatte schon am 20. Juni beabsichtigt, sich sofort der Vorstädte von Belgrad zu bemächtigen und tatsächlich wurden dieselben in der Nacht auf den 21. Juni durch zwei Grenadier-Kompagnien des zweiten Treffens, unterstützt von zwei Kavallerie-Regimenter und der gewöhnlichen Bereitschaft zu Pferde, ohne Wiederstand zu finden besetzt. Eine Recognoscirung des Genie-Directors de Beauffe ergab jedoch, daß die Aufstellung der Kaiserlichen damit so nahe an die Festung gelangt sei, daß zu einer Zeit, da die noch fehlenden Bestückung herangebracht wurde, der dauernde Aufenthalt zu gefährlich wurde.
In der Zeit, da der Prinz am 3. Juli die Linie mit Schanzzeug versorgen ließ, fand das erste ansehnliche Gefecht und zwar auf der Donau statt. Am 5. Juli um 8 Uhr früh waren die beiden Fregatten "St. Franciscus" und "St. Stephanus", von den Capt. Stork und Pommers befehligt, bei Semlin eingetroffen und hatten sich vor Anker gelegt.
Das Erscheinen dieser beiden Schiffe, so nahe bei der Festung und gegenüber der befestigten Donauinsel, wirkte überraschend auf die Belagerten und bald zeigte es sich, daß sie nicht geneigt waren, ihre beherrschende Stellung auf der Donau und Save freiwillig preiszugeben. Einige türkische Tschaiken gingen sofort zur Recognoscierung an die beiden Schiffe heran und suchten sie dann durch Kanonenfeuer zu vertreiben. Als aber die kaiserlichen Schiffe eine türkische Galeere in den Grund geschossen hatten, zogen sich die anderen unter dem Schutz der Inselschanze und der Festung zurück, erschienen jedoch um 2 Uhr nachmittags, durch weitere 50 wohlbemannte Schiffe verstärkt, neuerdings. Die Türken ruderten entschlossen an die beiden Fregatten heran und eröffneten ein lebhaftes Feuergefecht. Unter dem üblichen Geschrei trachteten sie die kaiserlichen Schiffe anzuzünden und umzingelten die beiden Schiffe, deren Situation dadurch sehr mißlich gestaltet wurde. Die beiden tapferen Capt. hielten aber mannhaft stand und wiesen die türkischen Tschaiken mit vollen Lagen zurück.
An der Mündung der Save in die Donau versuchten nun 1000 Spahis und einige hundert Janitscharen zu landen, um die kaiserlichen Schiffe abzuschneiden und der am Ufer stehenden Geschütze habhaft zu werden. Indessen hatten sich aber auch die Truppen des FML Graf Hauben kampfbereit gemacht und die beiden Cürassier-Regimenter Caraffa und Mercy traten der Landung entgegen.
Hauben und Seckendorf eilten mit der zur Hand befindlichen Infanterie herbei, die Höhen bei Semlin wurden besetzt und die Grenadiere unten am Ufer aufgestellt. Obrist Dillher des Regiments Löffelholz führte seine zwei Bataillone vor und lies Salven gegen die heranrudernden Türken abgeben, während die beiden Kriegsschiffe sowie 4 am Ufer stehende Kanonen die Angreifer mit einem Hagel von Kugeln und Kartäschen überschütteten, so daß sie sich nach 3 1/2stündigen heftigen Gefechts endlich mit einem Verlust von 200 Toten und Verwundeten, sowie einzelner Schiffe, in die Festung zurückziehen mussten. Der kaiserliche Verlust betrug 3 Tote und 26 Verwundete.
Prinz Eugen, welcher den General d. Kavallerie Graf Mercy mit 3 Regimenter zur Unterstützung über die Save hatte rücken lassen, erschien am 6. Juni selbst auf dem linken Saveufer, gab einige Anordnungen zur Sicherung der Batterien und belobte Offiziere und Soldaten für ihre Haltung, wie er auch dem Schiffskapitän Heinrich Storck und dem Kapitänleutnand Pommers für ihre Tapferkeit und Standhaftigkeit volle Anerkennung aussprach.
Die Fregatte "St. Eugenius" wurde von der Dunavica nach Semlin beordert, um die Flottille hier zu verstärken und an der Donau, unweit der Moschee von Semlin, eine Redoute erbaut und besetzt.
FML Freiherr v. Seckendorf übernahm die Durchführung der technischen Arbeiten auf dem linken Saveufer, Herstellung von Dammwegen durch die ausgedehnten Moraste, Erbauung einer Circumvallationslinie, "da man nicht wissen kann, ob und wo der Feind etwa anrücken möchte, man auch mit der Eröffnung nicht wohl anzugehen vermag, bis nicht sowohl das eine als das andere verlässlich und ausführlich gemacht ist".
Durch das Bombardement der Festung war ein großes Proviantmagazin zerstört worden, so daß in der Festung Mangel an Brot und Fleisch fühlbar wurde. Man wollte sogar Unruhen unter der Besatzung wissen, weil sich die Türken nach ihren Satzungen nur zu einem Wiederstand von 40 Tagen verpflichtet hielten.
Am 4. August wurde inmitten des Lärmens der Beschiessung eine furchtbare Explosion in der Festung hörbar, eine Bombe hatte in ein Munitionsmagazin an der Save-Seite eingeschlagen. Das Magazin flog auf, verwüstete die ganze Umgebung und ein heftiger Brand, welcher mehrere Tage währte, brach aus.
Es hatte sich aber unterdessen ein Ersatzheer von nicht weniger als 200.000 Türken bei Nisch gesammelt. Es führte 300 Stücke mit sich, darunter auch schwere Belagerungsgeschütze, um das befestigte Lager Eugens, gleichsam wie eine Stadt, angreifen zu können. In den letzten Julitagen zeigten sich die feindlichen Parteien, Streifenkommandos und Vorhuten bereits auf dem Hügelkranz im Süden von Belgrad, und am 30. und 31. erschien das Groß der türkischen Armee. Am 1. August lagerte sich das gesammte Heer des Großverziers auf den Höhen zwischen Donau und Save, konnte aber, trotz seiner Stärke, die Flüsse mit den Flügeln nicht erreichen. Auf den Hängen, die gegen das Lager der Kaiserlichen herabsanken, vermochte man das Gewimmel deutlich wahrzunehmen. Mit all seinen Pferden, Geschützen und Fahrzeugen, von tausend roten und grünen Fahner überragt, bot der Feind einen furchterregenden Anblick.
Während nun Eugens Leute in den folgenden Tagen überall dort, wo es nötig war, Geschütze in der Zirkumvallationslinie auffuhren, die Ausfallpforten mit spanischen Reitern schlossen und das Vorfeld verminten, umgaben sich die Türken mit Feldbefestigungen, darnach trieben sie ihre Approchen bis auf Büchsenschußweite heran, und schließlich begannen sie, das Lager der Kaiserlichen mit dem Feuer von 140 Geschützen zuzudecken.
Trotz der Not der Belagerten war ihr Mut seit der Ankunft des Ersatzheeres neu belebt und ihre kleineren Unternehmungen, sowohl zu Wasser als zu Lande, vervielfältigten sich wieder.
Einige Oranitzen waren von Semendria auf Wagen mit der Hauptarmee herangeführt worden und wurden zwischen Pancsova und Belgrad unbemerkt in die Donau gelassen. Nach Art der Seeräuber begann jetzt ein förmlicher Kaperkrieg auf der Donau. Die Türken bemächtigten sich der von Pancsova nach dem kaiserlichen Lager verkehrende Proviant- und Marketenderschiffe, versahen die eroberten Schiffe mit Bemannung und Kanonen und setzten am linken Donauufer Mannschaften an Land, welcher es sogar gelang, kaiserliche Proviantwagen wegzunehmen.
Diesem Treiben trat Admiral Anderson entgegen, indem er die Fregatte "St. Leopoldus" unter Capt. Böckelmann mit drei von 100 Grenardieren besetzte Tschaiken entsendete. Die Türken wurden überaschend angegriffen, auf den Strand getrieben und trotz der Unterstützung durch ihre Reiterei zersprengt, die von ihnen erbeuteten Schiffe wieder zurückgenommen und damit dieser Belästigung vorläufig ein Ende gemacht.
Commodore Schwendermann erhielt auch Auftrag zu verhindern, daß der Feind seine Tschaiken von der Donauinsel und aus der Festung zusammenziehe und etwa von dieser Seite irgend eine Aktion gegen die Brücken versuche, oder, wie schon geschehen war, Leute durch die Schiffsbrücken schwimmen lasse, um sich mit der Ersatzarmee in Verbindung zu setzen.
Den bedeutenden Schaden, welchen die kaiserlichen Geschütze in der Festung angerichtet, schien der Großvezier durch das Bombardement des Lagers rächen zu wollen. Wärend der Prinz die Stadt bedrängte, wurde er seinerseits jetzt von der Ersatz-Armee belagert.
Die Batterien der Türken waren gut angelegt. Sie standen höher als die Linien des Retranchements und vom 3. August an wurde ihr Feuer im kaiserlichen Lager stets empfindlicher. Einer der ersten Opfer dieser Beschießung war der hochverdiente FZM Graf Regal, der in seinem Zelt ruhend, durch eine Stückkugel am rechten Schenkel schwer verwundet wurde. Nach Semlin gebracht, starb er am 12. August, tief betrauert von Prinz Eugen. Das gleiche Schicksal erfuhr der Graf d´Estrades, Erzieher eines der adeligen Volontäre, des Prinzen von Dombes.
Die Türken hatten allmählich über 100 Kanonen und Mörser in Tätigkeit gesetzt und im kaiserlichen Lager fand man einem so mörderischen Feuer gegenüber nur noch knapp am Retranchement Deckung. Die Zelte der Offiziere, Generale und besonders das Hauptquartier waren unablässig bedroht, einige Bomben hatten bereits in nächster Nähe Verwüstungen angerichtet, so daß Prinz Eugen daher auch die bayrischen Prinzen und die anderen vornehmen Volotairs veranlasste, sich nach Semlin zu begeben. Im Lager sicherte man sich durch Schanzkörbe, durch die Erhöhung des Retranchements, sowie durch Epaulements nach Möglichkeit und die Verluste waren eigentlich geringer, als man bei einer so heftigen Beschießung erwarten konnte. Diese wurde aus dem Lager eifrig erwiedert und selbst Infanteriefeuer kam zur Wirkung, als die Janitscharen es wagten, aus einem vor der Linie gelegenen Brunnen Wasser holen zu wollen.
Da sich nicht nur die Stadt Belgrad, sondern auch die kaiserliche Armee in einem großen Kessel befand, rechnete der Großwesir mit einer langsamen Schwächung des Gegners durch Abnützungserscheinungen und Nachschubproblemen. Seine Berechnungen waren insofern zutreffend, als im Lager Mangel an Lebensmittel bestand. Außerdem verbreiteten sich Krankheiten infolge der feuchten Hitze und der sonstigen schlechten hygenischen Verhältnisse. Die Ruhr brach aus, doch die Belagerung wurde unvermindert fortgesetzt. Schließlich gelang es, das Hauptmunitionslager der Festung zu treffen, durch dessen Explosion große Schäden entstanden. Aber je länger der Stellungskrieg dauerte, desto mehr vergrößerte sich sowohl in Wien wie im Hauptquartier in Belgrad die Zweifel an den Aussichten des seinerseits eingekesselten Heeres. Der Prinz blieb völlig ruhig. Als er die Gewissheit hatte, daß der Feind die Einkesselung betrieb, entschloß er sich, dieser Gefahr zuvorzukommen. Äußerst interessant war einerseits die Schlachtordnung, die der Prinz in 16 Punkten aufstellte, anderseits seine psychologische Kriegsführung, d.h. die Art und Weise, wie er seinen Plan den hohen Offizieren, die er um sich versammelte, zur Kenntnis brachte. Zwar hatte er die Dispositionen keineswegs improvisiert, sondern lang zuvor ausgearbeitet, doch entschloß er sich erst zu deren Ausführung, als es die Umstände erforderten. Schwer waren die Bedenken, als der Prinz am 15. August das ganze Offizierscorps in seinem Feldherrnzelt versammelte. Trotz der gewitterhaften Luft verbesserte sich jedoch Sicherheit und Ruhe um ihn, in straffer konzentrierter Form erteilte er seine Anweisungen. Dabei baute er die Worte so vorsichtig auf wie seine Laufgräben. Vor allen wurden die Offiziere angewiesen, ihre Befehle "ohne Geschrei und Ungeduld" zu erteilen, denn das sei es hauptsächlich, was sie den Türken voraus hätten : durch eiserne Disziplin müsse die große numerische Unterlegenheit ausgeglichen werden. "Niemand darf" so sagte der Prinz "auch nur einen Handbreit von dem ihm angewiesenen Posten abweichen". Bei Todesstrafe verbot er Beutenahme und Plünderungen.
Der Reiterei befahl er, nur im Falle dringender Notwendigkeit zu schießen. Die Infanterie müsse dagegen ein beständiges Feuer unterhalten, denn die Erfahrung habe gezeigt, daß die Türken sich eher durch die ununterbrochene Fortsetzung des Schießens als durch die Stärke des Feuers erschrecken ließen.
"Ganz wesentlich ist" so führte der Prinz aus, " der Zusammenhang der Angriffskolonnen in fest geschlossenen Reihen". Jeder Soldat müsse mit seinem Vorgesetzten und hierdurch mit ihm, dem Prinzen, in Führung bleiben. Nur so könne die Durchführung der Befehle gesichert werden.
Mit Staunen sahen die Offiziere, daß der Prinz in dem Maße, wie er ihnen die Schwierigkeiten der Situation und seine daraus hervorgegangenen Pläne entwickelte, nicht nur Ruhe, sondern geradezu Heiterkeit gewann. Er schilderte die Alternative, in der Defensive zu bleiben und die Belagerung so gut wie möglich weiterzuführen, oder aber den Türken durch eine Offensive zuvorzukommen. Der Vortrag des Prinzen endete mit den Worten "Entweder werde ich mich Belgrads oder die Türken werden sich meiner bemächtigen". Auf die bedrückende Spannung folgte ein tiefes Gefühl der Befreiung, ein allgemeines Aufatmen.
Um Mitternacht ritt die Kavallerie so ruhig und leise wie möglich ins freie Feld. Die Infanterie formierte sich eine Stunde später. Der Prinz war sehr besorgt, daß die Türken in den Aufmarsch hineinstoßen könnten. Da fiel plötzlich dichter Nebel über die Truppen. Die Sicht reichte keine zehn Schritte. Dieser an sich günstige Umstand wurde jedoch zur schweren Gefährdung, als die kaiserliche Kavallerie, zu weit nach rechts gedrängt, den Kontakt mit dem Zentrum der Armee verlor. Auch die nachfolgende Infanterie verlor die Orientierung. Es geschah eben das, was vermieden werden sollte, nämlich das Auseinanderfallen der Frontlinie. So mußte bei Beginn der Schlacht jeder General für sich selbst operieren, ohne die Lage genau zu kennen. Nach dem ersten Alarm stieß die türkische Reiterei sogleich in die Lücke zwischen dem rechten Flügel und dem Zentrum der kaiserlichen Aufmarschfront. Die Armee Eugens verfügte jedoch über außerordentlich bewährte und fähige Kommandanten der einzelnen Truppenteile. Es waren etwa 60.000 Mann unter Führung des FM zum Angriff angetreten, während die nördliche Flanke durch den sächsischen General Freiherr v. Seckendorff mit etwa 10.000 Mann abgedeckt wurde.
Alexander v. Wüttemberg brachte den Frontbereich zum Stillstand, indem er Infanteriereserven heranzog. Der Einbruch selbst war damit aber noch nicht beseitigt.
Gegen 8 Uhr morgens lichtete sich der Nebel. Endlich gewann der Prinz einen Überblick über das Schlachtfeld. Er sah den türkischen Gegenstoß im Zentrum der Front. Rasch warf er weitere Infanteriereserven in die Einbruchstelle. Doch geriet man nun unter starken Artilleriebeschuß, der große Opfer forderte. Von einer Anhöhe schossen ununterbrochen 18 Geschütze. Es gab keine andere Wahl, als den Hügel zu erstürmen. Zehn Grenadierkompanien und vier Bataillone, von zwei Reiteregimenter flankiert, brachten nach harten Kampf die Geschütze zum Schweigen. Damit war die Entscheidung gefallen : auf der beherrschenden Anhöhe konnten die kaiserlichen Geschütze postiert werden. Daraufhin wurden die Türken, welche sich zum Angriff vorgewagt hatten, zurückgeworfen. Ihr Rückzug geriet in Unordnung und weiterte sich zur Flucht. Gegen 11 Uhr war die Schlacht gewonnen.
Die Stadt Belgrad, die Zitadelle und die Besatzung von 30.000 Mann hatten der Eroberung bisher getrotzt, am 17. August erging die Aufforderung zur Kapitulation. Der Pascha zauderte, große Teile der Festung waren noch intakt. Aber in der Garnison drohte die Rebellion. Die Stadt lag weitgehend in Trümmern. Die Soldaten wollten ihre Familien nicht einer weiteren längeren Belagerung aussetzen. Schließlich sandte der Governeur zwei Emissäre mit weißer Fahne. Prinz Eugen bot der Besatzung einen ehrenvollen Abgang an. In Unordnung und Eile verließen die Truppen mit 300 Wagen und 1.000 Kamelen das eroberte Belgrad. Die Frauen und Kinder wurden auf Donauschiffen abtransportiert. So kam das Wunder von Belgrad zum Abschluß, das sicher kein echtes Wunder war, sondern die Folge einer Reihe von Beschlüssen eines genialen Feldherrn, der ein feines Gespür und einen sicheren Blick für die richtigen Maßnahmen im kritischen Moment besaß. Aber es war sein Charisma, das die eingekreiste, von Nachschubproblemen und Krankheiten bedrückte Armee begeisterte. Weder Fieber, das auch ihn erfaßt hatte, noch eine leichte Verletzung - die dreizehnte seiner Militärlaufbahn - hatten den Prinz gehindert, sich erneut als unerschütterlicher Kämpfer zu beweisen, diesmal nicht nur als Feldmarschall, sondern als miles christianus, als christlicher Soldat, der in die mythische Welt aufstieg.